Nephrolithen und Urolithen (Nieren- Blasen- und

Harnröhrenstein bei Kaninchen

 

 

Esther van Praag, Ph.D.    Übersetzung: Dr. Christiane Nastarowitz-Bien

 

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Nephrolithen und Urolithen, auch Nieren- und Blasensteine genannt, sind bei Kaninchen häufig zu beobachten, unabhängig von Alter und Rasse. Männliche Kaninchen neigen auf Grund ihrer langen Harnröhre mehr zur Entwicklung von Steinen. Dabei bilden sich aus Kristallen äußerst harte Steine von ganz verschiedener Form und Größe. Sind sie klein, aber in großer Zahl vorhanden, werden sie als „Schlamm“ oder „Sand“ bezeichnet.

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Sludge looks like a thick paste that becomes a solid millimeter thick “cake” when drying.

Nieren- und Blasensteine setzen sich in der Regel aus folgenden Mineralien zusammen: Struvit (Magnesium, Ammonium oder Phosphat), Oxalat, Karbonat, Harnsäure, Urat oder Cystin. Bei Kaninchen bestehen sie meistens aus Kalziumcarbonat oder Kalziumoxalat-Dihydrat.

Christine Macey

Hilde Seep

 

Steine, die aus der Harnblase von Kaninchen entfernt wurden, im Verhältnis zu einem Lineal (Maßstab in Zoll) und einem Schokoladen-Osterei

Das Vorhandensein von Sand (Schlamm) oder Harnsteinen stellt einen dauernden Reiz dar und führt zu Folgeschaden, wie Nierenversagen oder Schleimhautblutungen an der Blasenwand. Daraus resultiert eine Hämaturie (Blut im Urin, u.U. nur mikroskopisch nachweisbar). Kleine Steine stellen eine zusätzliche Gefahr dar: Sie können im Harnleiter stecken bleiben und den Abfluss aus der Niere blockieren (ein- oder beidseitig) oder sie können in der Harnröhre stecken bleiben. Ein festsitzender Stein in der Harnröhre kann den Harnabsatz teilweise oder völlig unmöglich machen. Erfolgt keine Behandlung, führt dieser Zustand zu irreversiblen Nierenschäden und zum Tod des betroffenen Kaninchens.

Akira Yamanouchi

 

Chirurgisch entfernte Steine aus der Harnblase von Kaninchen

Die genaue Ursache für die Bildung von Blasen- und Nierensteinen ist nicht geklärt, aber man kennt eine Vielzahl von begünstigenden Faktoren, die eine Rolle spielen. Dazu gehören:

Körperliche Faktoren:

·        eine genetische Veranlagung, die die Funktion der Niere beeinflusst,

·        das Vorliegen von Bakterien in der Blase,

·        Nierenerkrankungen, die die Ausscheidung von Kalzium beeinflussen,

·        Blasenerkrankungen mit Veränderungen der Blasenwandoberfläche, verursacht     durch krankheitserregende Bakterien oder Neubildungen (Tumoren, Polypen),

·        Übergewicht, Gelenkerkrankungen und daraus folgendes selteneres Aufsuchen der Toilette,

·        veränderter pH-Wert des Urins.

Haltungsfehler:

·        verminderte Wasseraufnahme, verursacht durch Schwierigkeiten aus einer Flasche zu trinken, durch eine defekte Wasserflasche, durch einen umgekippten Wassernapf, Mangel an frischem Wasser oder durch den Zusatz von Medikamenten zum Trinkwasser.

·        ungeeignete Toilette, durch verschmutzte Einstreu oder Wahl des falschen Ortes.

·        übermäßige Kalziumzufuhr

·        Vitamin B6-Mangel, der zu vermehrter Oxalatbildung und Oxalat-Ausscheidung führt.

Hoher Urin-pH

Der pH-Wert des Kaninchenurins ist normalerweise hoch, zwischen 7,6 und 8,8; mit einem spezifischen Gewicht um 1003. Das spezifische Gewicht ist allerdings durch den Gehalt des Urins an Kalzium und Kristallen (Struvit, Kalziumcarbonat, seltener Oxalat) schwer zu messen.

Ein hoher pH-Wert begünstigt das Wachstum von Bakterien und Harnwegsinfektionen. Häufig zu findende Bakterien sind Escherichia coli, Proteus- und Staphylokokkenarten, gelegentlich treten auch Anaerobier auf. Die Bakterien produzieren den Abfallstoff Ammonium und das Enzym Urease, das Harnstoff aufspaltet. Der dadurch erhöhte pH-Wert begünstigt die Ausfällung von Struvit-Kristallen.

Das Vorliegen von Bakterien kann festgestellt werden, indem man eine Urinprobe zum Anlegen einer Bakterienkultur einschickt (normaler Urin ist steril). Alternativ kann man einen entfernten Stein aufbewahren, aufschneiden und das Zentrum für eine Bakterienkultur benutzen. Auch eine Untersuchung der Mineralzusammensetzung des Steines kann Aufschluss über beteiligte Bakterien geben, denn manche Bakterienarten sind mit bestimmten Steintypen vergesellschaftet (Staphylokokken z.B. mit Struvitsteinen).

Akira Yamanouchi

 

Probe von sedimentiertem Kaninchenurin

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Urinfleck von einem gesunden Kaninchen auf einem Handtuch, mit Sediment-Ablagerung

Kalzium im Futter

Der Kalziumgehalt im Futter wird häufig als Ursache für die Bildung von Nieren- und Blasensteinen angesehen. Die Aussage „höhere Kalzium-Aufnahme = höhere Kalzium-Ausscheidung“ ist auch grundsätzlich richtig. Forschungsarbeiten haben aber gezeigt, dass eine Kalzium reiche Fütterung beim Kaninchen zwar zu Verkalkungen der Nieren (und der Aorta) sowie zur Ausscheidung des überschüssigen Kalziums mit dem Urin führt, aber nicht zur Bildung von Steinen. Ein kurzzeitiger Verschluss der Harnwege führt jedoch unausweichlich zur Bildung von Steinen. Gründe für einen solchen Verschluss können Blasenschlamm, bakterielle Infektionen, Abszesse oder Neubildungen (Tumoren, Polypen) sein.

Der Kalziumgehalt des Futters ist also nicht der Hauptfaktor, der zur Bildung von Steinen beim Kaninchen führt – sondern nur ein begünstigender Faktor – und es ist wichtig, die Hauptursache oder die zugrundeliegende Krankheit zu finden.

In dem Versuch, die Kalziumaufnahme zu reduzieren, wird häufig empfohlen, eine kalziumarme Diät zu füttern und / oder keine Pellets mehr zu füttern. Das ist nicht empfehlenswert.

Eine Kalzium arme Diät oder der Entzug von Pellets kann zu Mineral- und Nährstoffmangel führen.

Klinische Zeichen

Ein Kaninchen, das unter Steinen leidet, hat häufig Schmerzen. In Folge davon frisst es schlechter, wird müde und teilnahmslos und eventuell jammert es beim Urinabsatz. In vielen Fällen beobachtet man einen häufigen und langwierigen Harnabsatz, begleitet von Urintröpfeln. In einigen Fällen ist der Urin so reich an Sediment (Kalziumcarbonat), dass er eine pastenartige Konsistenz annimmt und die Region um Scheide bzw. Penis verklebt.

Häufig tritt Hämaturie (blutiger Urin) auf. Die Blutmenge variiert dabei zwischen:

·        mikroskopisch kleine Menge Blut, kann nur mittels Teststreifen oder unter dem Mikroskop nachgewiesen werden,

·        große Menge Blut, die den Urin rot oder braun färbt. Von diesem Zustand abzugrenzen ist eine Orange- oder Rotfärbung des Urins durch das Pflanzenpigment Porphyrin.

ACHTUNG:   Bei weiblichen Kaninchen muss der Ursprung von Blut im Urin genauer abgeklärt werden, um Gebärmuttererkrankungen als Ursache auszuschließen. Bei Gebärmuttererkrankungen wird Blut am Ende des Harnabsatzes ausgeschieden und formt einen Fleck in der Mitte der Urinpfütze. Es handelt sich hierbei um einen sehr ernsten Zustand, der dringend behandelt werden muss.

Diagnose

Steine können diagnostiziert werden, indem man die Harnblase abtastet, die ganz hinten unten im Bauchraum gelegen ist. Das muss sehr vorsichtig durchgeführt werden und gelingt nur bei kooperativen Kaninchen.

Zuverlässigere und genauere Mittel zur Diagnose sind Röntgen und Ultraschall.

 Auf einer Röntgenaufnahme von Niere, Harnleiter und Blase sind alle kalziumhaltigen Steine mit einem Durchmesser von über 2mm erkennbar. Harnsäure-Steine sind röntgenologisch nicht darstellbar, kommen aber bei Kaninchen nur ausnahmsweise vor. Auf der Röntgenaufnahme kann man die Größe, Lage und Zahl der Steine beurteilen. Es ist besonders wichtig, das Vorliegen von Steinen in den Nieren, den Harnwegen (Harnleiter und Harnröhre) und der Blase abzusichern, bevor man mit der chirurgischen Entfernung beginnt.

Akira Yamanouchi

 

Röntgenaufnahme von einem Kaninchen mit Nierenstein

Akira Yamanouchi

 

Röntgenaufnahme von einem Kaninchen mit Harnröhrenstein

Es ist empfehlenswert, zusätzlich zur Röntgenuntersuchung eine Ultraschalluntersuchung des Harnapparates vorzunehmen, weil kleinere Steine mit einem Durchmesser von 1 bis 2mm gut darstellbar sind, die man im Röntgen nicht erkennt. Zusätzlich können Blasenwand, Nierengewebe etc beurteilt werden und auch ein Harnstau in Niere und Harnwegen ist sicher darstellbar.

Ruby L. Perry

 

Ultraschallbild von einer Harnblase, die einen Kalziumcarbonatstein enthält

Ausnahmsweise kann auch eine Computertomographie durchgeführt werden, insbesondere wenn ein Verschluss vermutet wird. Dabei können auch andere Probleme festgestellt werden, die nichts mit den Harnsteinen zu tun haben, aber ähnliche Symptome und Unwohlsein verursachen.

Abschließend dient eine begleitende Urin- und Blutuntersuchung dazu, den Gesundheitszustand des Kaninchens zu beurteilen, insbesondere die Funktion von Leber und Nieren.

Behandlung

Abhängig von der Größe der Steine sind verschiedene Behandlungsverfahren möglich.

Handelt es sich um Sand, erbringen Katheterisierung und Spülung der Blase gute Ergebnisse. Das Ausdrücken der Blase kann dagegen nicht empfohlen werden, da das Organ leicht reißen kann, insbesondere, wenn kleine Steine die Harnröhre verschließen. Das Schieben eines Blasenkatheters (z.B. 5er Polypropylen- oder Gummikatheter) ist bei männlichen Kaninchen verhältnismäßig einfach. Vorher wird Butorphanol injiziert und Lidocain auf die Vorhaut (Hautfalte nahe der Penisspitze) aufgetragen. Bei weiblichen Kaninchen erfordert das Katheterisieren dagegen oft eine Vollnarkose. Das weibliche Kaninchen wird auf den Bauch gelegt, mit den Hinterbeinen über die Tischkante hängend. Der Katheter wird vorsichtig blind eingeführt und der richtige Sitz durch eine Röntgenaufnahme kontrolliert. Es kann auch sinnvoll sein, das Kaninchen in Narkose zu legen und dann Diazepam (ValiumR) zu spritzen, um den Schließmuskel der Blase zu entspannen, bevor der Katheter geschoben wird.

Die Blase wird vorsichtig mit lauwarmer Salzlösung gespült, danach wird die Flüssigkeit mit einer Spritze wieder abgezogen. Dieser Vorgang wird mehrmals wiederholt. Zum Spülen sollten keine sauren Lösungen verwendet werden, da sie Blase und Harnröhre schädigen können. Besser vertragen werden alkalische steinauflösende Lösungen.

Falls das Kaninchen nicht narkosefähig ist, gibt es eine Alternative zu dieser Behandlung. Sie besteht darin, massiv Flüssigkeit zu verabreichen (innerhalb eines sicheren Rahmens) und anschließend ein harntreibendes Medikament zu geben (z.B. Furosemid). Dies kann über einige Tage wiederholt werden, wenn immer wieder ausreichend Flüssigkeit zugeführt wird.

Eine Operation ist die einzige Lösung, wenn große Steine vorliegen. Unter Narkose wird die Blase vorgelagert und eröffnet. Nach Entfernen des Steines ist es sinnvoll, eine Probe von der Blasenwand für eine Bakterienkultur zu nehmen.

Akira Yamanouchi

Chirurgisch entfernte Kaninchenniere mit Stein (links) und Detailaufnahme des Steins (rechts)

 

Akira Yamanouchi

Chirurgische Entfernung eines Blasensteins (links) und Detailaufnahme des Steins (rechts)

Die Nachsorge bei einer solchen Operation umfasst Schmerzmittel, eine antibiotische Therapie falls notwendig, und die Analyse der Gründe, die zur Steinbildung geführt haben.

Die Langzeitbehandlung umfasst eine Steigerung der Wasseraufnahme, z.B. durch die Verabreichung kleiner Mengen von Flüssigkeit unter die Haut alle zwei Tage. Das hilft, Nieren und Blase zu spülen und vermeidet die Anhäufung von Substanzen, die einen neuen Stein bilden könnten.

Diverse Produkte können darüber hinaus verabreicht werden, um den pH-Wert des Urins etwas zu senken:

·        Fütterung von frischen oder getrockneten Cranberries oder ungesüßtem Cranberry-Saft täglich.

·        Fütterung von Vitamin C, für kleinere Tiere in einer Dosis von 100 mg, am besten zwischen 25-50 mg/kg Körpergewicht einmal täglich. Vitamin C wird zwar teilweise in Oxalat umgewandelt, was seinerseits einen Stein bilden könnte, aber Studien haben gezeigt, dass Vitamin C-Fütterung nicht zur Steinbildung beiträgt. Das Thema wird aber unter Experten etwas kontrovers diskutiert..

·        Verabreichung von Mitteln auf Zitronensäure-Basis (z.B. Polycitra®) zur Senkung des Harn-pH bei Kaninchen, die an chronischen Harnwegsinfektionen oder Blasensteinen leiden. Dosierung für Hunde 150mg/kg Körpergewicht pro Tag.

Es ist nicht wichtig, welches Präparat eingesetzt wird, sondern nur, dass der Urin angesäuert wird. Diese Ansäuerung löst Magnesium-Ammonium-Phosphat-Steine und beugt ihrer Entstehung vor.

Danksagung

An dieser Stelle möchte ich mich bei Frau Christiane Nastarowitz-Bien (Deutschland) ganz herzlich danken für die deutsche Übersetzung und für Ihr Kommentar. Ich möchte auch an Andrea Pons (Kaninchenforum.com), Christine Macey (USA), Hilde Seep (Niederlanden), Prof. Dr. Ruby L. Perry (College of Veterinary Medicine, Michigan State University, USA), und Herrn Akira Yamanouchi (Veterinary Exotic Information Network, http://vein.ne.jp/, Japan) danken für ihre Erlaubnis ihre Bilder zu verwenden.

Weitere Informationen

Donmez T, Erol K, Gurer F, Baycu C, Acikalin E, Cingi MI. Effects of various acidic and alkaline solutions used to dissolve urinary calculi on the rabbit urothelium. Urol Int. 1990; 45(5):293-7

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Garibaldi BA, Fox JG, Otto G, Murphy JC, Pecquet-Goad ME. Hematuria in rabbits. Lab Anim Sci. 1987 Dec;37(6):769-72. Erratum in: Lab Anim Sci 1988; 38(3):345. 

Garibaldi BA, Goad ME. Hypercalcemia with secondary nephrolithiasis in a rabbit. Lab Anim Sci. 1988; 38(3):331-3. 

Itananin et al. Experimental model of calcium containing renal stone formation in a rabbit. Invest. Urol. 1979; 17:234-241

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Kamphues J. Calcium metabolism of rabbits as an etiological factor for urolithiasis. J Nutr. 1991;121(11 Suppl):S95-6. 

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